Dienstag, 22. November 2011

Tag 70 - Sugar Beach und "Es ist tot..."


Das Frühstück, das ja zum Glück in den 1600P mit drinnen ist, wird aber leider nicht königlich auf unser Zimmer gebracht. Wir bekommen nur einen Anruf, dass das Frühstück unten für uns bereit stehe. Ganz cool. Leider gibt’s kein Zucker, also trinke ich meinen schwarzen Tee in einem Zug leer, da ich den bitteren Geschmack einfach nicht mag. Die Eier sind auch schon halb kalt, was Stefan gar nicht richtig mitbekommt, da er „Dragonball Z“ auf Japanisch guckt. Ok, „Simpsons“ sind ja schon schrecklich. Aber wenn ich die Wahl hätte zwischen einer amerikanischen Serie, bei der alle an Gelbsucht leiden oder einem japanischen Comic, wo die Namen der Figuren wie ein explodiertes Atomkraftwerk klingen, dann wähle ich keins von beiden und schaue mir gepflegt zuerst „GZSZ“ und danach „Grey's Anatomy“ an.
Nach dem Frühstück wollen wir eigentlich packen und schauen ob wir ein billigeres Hotel finden um noch eine Nacht zu bleiben. Die Kinder in uns verhinderten die Packerei aber. Ich hab ja glaub ich erwähnt, dass wir drei Doppelbetten im Zimmer haben. Zwei davon stehen sich gegenüber. Als ich Stefan vom einen Bett runterziehen wollte, damit er endlich mit packen beginnt, meint er nur, ich soll mich mal auf die Bettkante stellen und in die Hocke gehen. Ich nenne diese Haltung gerne imaginäre Kackstellung. So stand ich jedenfalls ein paar Sekunden da bis mich ein kräftiger Fußtritt auf Bett gegenüber katapultiert. Ich lande also auf dem andern Bett und lache mich kaputt. Stefan hat soeben ein Spiel erfunden, das es ganz leicht mit „Beiß weiß!“ aufnehmen kann. Wir nennen es: „das menschliche Katapult“. Kurz drauf fliegen Stefans und Tinas durch die Luft und freuen sich drüber, nicht mit dem Kopf an der Wand gelandet zu sein. Jaja, manche wünschen sich eine Carrerabahn um sich wieder als Kind zu fühlen, andere nur ein menschliches Katapult. 

Irgendwann haben wirs dann doch geschafft unsere paar Sachen in die Rucksäcke zu stopfen und laufen also erst einmal Richtung Busbahnhof um zu sehen, wann ein Bus nach Sipalay fährt. Natürlich fährt der Einzige in 40min. Na toll. So war das eigentlich nicht geplant. Wir wollten uns ja eigentlich noch die Stadt anschauen und vielleicht auch nochmal weggehen. Aber uns ist das Risiko einfach zu hoch wieder 1800P für eine Nacht zu zahlen. Dann müssen wir wohl diesen Bus nehmen. Noch kurz zum Bäcker und mit einem Tricyclette zurück zum Hotel, Gepäck holen und dann finde ich mich auch schon im überfüllten Busbahnhof wieder. Stefan entdeckt Zigaretten in einer 5er Verpackung. Wir kaufen gleich 6 Packungen, denn schließlich finde ich sowas ein ziemlich cooles Souvenir für meine Raucherfreunde. Als gerade der Bus kommt, wir uns schon eine 3er-Bank gesichter haben, überleg ich mir, besser noch einmal auf die Toilette zu gehen. Ich hab ja jetzt wirklich schon viele verschiedene stille Örtchen gesehen. Aber sowas war noch nie dabei. Eine Mischung aus Kindergartentoiltette und Plumpsklo. Die Abtrennungen zwischen den einzelnen Löcher im Boden, waren so hoch bzw. so niedrig, dass man ganz leicht drüber gucken konnte oder, wenn man groß genug ist, sich sogar beim urinieren anschauen kann. Aber was hilfts? Außerdem bin ich ja klein... Stefan macht sich schon wieder Sorgen, weil ich so lange weg war. Aber ich musste mir ja erst einmal einen Plan überlegen, wie ich das Kindergartenplumpsklo benutze, ohne dass mir jede Fili über die Miniabtrennung auf meinen weißen Arsch starrt. Die Temperatur im Bus ist unerwartet angenehm. Hatte ich sowas nicht schon einmal erlebt. Eine Klimaanlage, die nicht auf 12°C eingestellt war? Ach ja, genau, auf der letzten Fähre. Also ich muss schon sagen, die Menschen hier auf Negros sind echt etwas anders. Positiv mein ich das natürlich. Keine nervigen Menschenhändler, keine Winter-Busse. Da bin ich doch mal gespannt was die Insel noch so zu bieten hat. Die 4,5h Fahrt war schon mal ein richtiger Augenschmaus. Die Sonnenstrahlen, die mich durch die Scheibe hindurch wärmen, die wunderschöne Küstenlandschaft und die netten Leute im Bus und vor allem draußen. Sobald wir durch ein Dorf fahren, bemerken die Dorfbewohner, dass ich im Bus sitze und winken mir. Klingt jetzt bestimmt voll eingebildet, aber es war echt so. Die Menschen sahen den Bus, zeigten auf mich und winkten. Und bei Bushaltestellen war es ganz schlimm. Einmal hatten mich zwei Jungs entdeckt, die wohl total begeistert waren. Der eine hat sich, glaub ich direkt in mich verliebt, denn er fiel von seinem Fahrrad, als er mir zum 7 mal zuwinken wollte. Ganz zur Freude eines zahnlosen Tricyclettefahrers. Wir erreichen Sipalay bei Dunkelheit und Regen und werden gleich von einem Menschenhändler begrüßt, der uns für 150P einmal quer durch die Pampa verfrachtet. Das Tricyclette ist so dermaßen tiefergelegt, dass der Abstand zwischen Boden und Fußplatte gerade mal 5cm beträgt. Kommt ziemlich gut, wenn man eine Straße voller Schlaglöcher fährt... Trotz des zusätzlichen Menschenhändlers, der den Fahrer um die meisten Schlaglöcher herum lotst, schrammt die Karre des Öfteren mal über den steinigen Boden. Wir müssen noch mit einem Ruderboot einen kleinen Fluss überqueren und einen unverschämt hohen Preis dafür zahlen um endlich zum Sugar Beach zu gelangen. Uns bleibt leider nix anderes übrig, als die 150P zu zahlen, da es ja schon stockdunkel (obwohl es erst 19Uhr ist) ist und wir nicht wirklich eine andere Wahl haben. Drüben angekommen, sehen wir, dass wir nichts sehen. Nichts. Außer Meer und Strand. Hallo? Lebt hier was? Ein kleiner Junge bemerkt uns Fremdlinge und führt uns, fast duchs Meer, zum richtigen Sugar Beach. Aber auch hier ist es tot. Kein Mensch am Strand. Kein Licht zu sehen. Ach doch. Ganz dort hinten. Also lateschen wir, mit den fetten Rucksäcken auf dem Rücken durch den Sand, auf das Licht zu. Zum Glück entpupt sich das Licht als genau das Hotel, das wir uns im Lonely Planet ausgesucht hatten. Das „Takatuka Resort“ ist ein kleines Hotel, dessen Zimmer allesamt anders und einzigartig eingerichtet sind. An einer Säule kleben zB. Hunderte Taschenrechner, aus der Decke kommt ein Taucher und das Zimmer, das wir uns schließlich nehmen, hat schiefe Regale und in der Toilette ist der Boden schief. Es kostet zwar 850P pro Nacht, aber wir nehmen es trotzdem. Erstens, weil Stefan auf seinem Rundgang im Dunkeln nichts besseres gefunden hatte und zweitens, weil es ziemlich legendär ist, einmal in der Villa Kunterbunt z übernachten. Wir bestellen was zu essen, ich ein Wrap mit echtem Kochschinken und Stefan ein Rösti mit Salami und Käse überbacken, und kommen, wegen den vielen schweizer Gerichten auf der Karte, schnell zu dem Entschluss, dass sich hier wohl ein genial kreativer schweizer Kopf, wohl seinen Lebenstraum erfüllt hat. Unser Laune vermiesen wir uns aber ganz schnell selbst in dem wir in deutschsprachige Magazine wie „In touch“ oder „Der Spiegel“ blättern. Wen juckt es, ob die Katzenberger jetzt in die DSDS-Jury kommt oder ob die Hähnchenschenckel nicht aus biologischer Stallhaltung kommen und wer passt schon wirklich auf, wenn er sich einen neuen PC zulegt, dass die Rohstoffe nicht aus einem 3.Welt-Land kommen und womöglich schneller irgendwelche Viren aufnehmen, oder sogar schon mit HIV infiziert sind. Oha... wie ich mich über diesen Medienmüll aufregen könnte. Bzw ich tue es ja. Wir merken, wie sehr uns diese Reise nun schon verändert hat. Früher hab ich bei meinen Frisörbesuchen gerne mal gelesen was es so für neuen Klatsch und Tratsch in der Promiwelt gibt oder hab mir Taff und sogar manchmal auch die gestellten Nachrichten angesehen. Aber mal ehrlich? Ist das nicht alles Geldmacherei? Und zwar wirklich alles?! Es dreht sich in der westlichen Welt alles nur ums Geld und um die tatsache nur glücklich sein zu können, wenn man genug Besitztümer hat. Aber so ist es nicht. Fast jede asiatische Familie hält hier seine eigenen Hühner und kümmert sich nicht wirklich drum, ob das Futter nun Ehec oder BSE-verseucht ist oder ob die Hühner einfach nur in dem Kothaufen von vor 3 Tagen rumpicken. Es ist ihnen egal, weil es ja auch keinen Grund gibt sich über so nen Müll den Kopf zu zerbrechen. Statt dessen ist man eben glücklicher und freut sich drüber, wenn das Huhn ein Ei legt, oder Küken bekommt, die dann aber nicht gleich in den Schredderer kommt, nur weil es 0,179 min länger braucht, bis es geschlüpft ist. In unserer westlichen Welt, werden einfach zu viele Werte wie Pünktlichkeit und Allgemeinwissen durch die Medien hochgepuscht, dass ich z.B. immer ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich irgendwohin nur mal 3min zu spät komme. Es wurde mir ja auch nie anders beigebracht. Was jetzt keine Kritik gegenüber meinen Eltern sein soll. Es ist Kritik am ganzen System. Man bekommt solange durch alle möglichen Dinge eine Gehirnwäsche verpasst, bin man sich selbst schlecht fühlt, wenn man gegen die gesellschaftlichen Normen verstoßt. Oder auch das Verkehrssystem. Stellt euch bitte mal vor, bei uns in Deutschland würden Jeepneys und Tricycletts rumfahren. Die würden den TÜV schon gar nicht überleben, weil sie z.B. keine Sicherheitsgurte haben. Brauchen sie aber auch nicht. Denn hier wird nicht gerast. Ich habe noch kein einziges Fahrzeug gesehn, wirklich noch kein einziges, von dem ich sagen würde, es wäre gerast. Also wie die Raser in Deutschland. Es gibt hier ungeschriebene Gesetze und komischer Weise hält sich jeder dran. Alle fahren total rücksichtsvoll. Naja, wenn man nicht selbst als Deutsche am asiatischen Verkehr teilnehmen will... Aber wieso ist das so? Genau. Weils keinen juckt. Es interessiert keinen, ob in einer kurvigen Bergstraße eine durchgezogene Linie ist. Es wird mal kurz gehupt um den evt. Gegenverkehr zu warnen und das wars. Die ganzen Vorurteile, von wegen, dass es in Asien so gefährlich wär, dass die Straßenhunde beißen, dass man auf seine Sachen aufpassen soll und der ganze Müll, das ist alles eben nicht wahr. Wenn man aber von den Medien nichts anderes hört, als dass schon wieder ein Schiff auf den Philippinen von Piraten überfallen wurde, dann ist das ja eigentlich ganz normal, dass man dann denkt: Philippinen – Piraten – gefährlich. Aber kommt man auf den Gedanken: Philippinen – arme, glückliche Menschen? Wohl kaum. Ich bin jetzt zwar sehr vom Thema abgekommen, aber ich musste einfach mal loswerden, was ich mittlerweile von dieser westlichen Welt halte. Nämlich nicht mehr viel. Bis auf die Sozialversicherung ist so ziemlich alles eine Abzocke die man auf die selbe Ebene wie die hinterhältigen Menschenhändler, also die richtigen Menschenhändler stellen kann.
So... Nach dem Essen, das äußerst köstlich ist, geh ich noch duschen und schlafe dann auch bald ein. Es gibt ja nichts mehr zu tun. Ist ja alles tot hier. Und fals ich da nicht selbst drauf gekommen wäre, Stefan hat es mindestens 17 mal gesagt...

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